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Der demografische Wandel und die damit verbundene Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung in Deutschland gehören zu den meist diskutierten Themen in Politik und Öffentlichkeit. Dabei steht fast immer die so genannte Überalterung der Gesellschaft im Mittelpunkt, verbunden mit den negativen Auswirkungen einer alternden Gesellschaft auf die Wirtschaftsleistung, die sozialen Sicherungssysteme, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in einer globalisierten Welt.

Was definiert den demografischen Wandel? Der demografische Wandel steht als Fachterminus für den steigenden Anteil älterer und den sinkenden Anteil jüngerer Menschen in der Bevölkerung. Als Ursache werden primär der Geburtenrückgang, die steigende Lebenserwartung, bessere Gesundheitsvorsorge und medizinische Versorgung, verbesserte Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die regional sehr unterschiedlich ausgeprägte Binnen- und Außenwanderung insbesondere jüngerer Menschen identifiziert.

Der demografische Wandel beschreibt die wirtschafts- und sozialpolitischen Entwicklungen der Bevölkerung (Duden Online 2015; 13.07.15). Die Demografie umfasst Geburten- und Sterberaten, die Binnen- und Außenwanderung, die Bevölkerungszusammensetzung nach Geschlecht und Alter aller Mitglieder der Gesellschaft unter Einbezug der Ausländer, Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund. Die hieraus entstehenden Veränderungen werden als Megatrend bezeichnet, der zu großen Veränderungen führt. Er wirkt langfristig und betrifft alle gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereiche unseres Lebens. Seit 2003 nimmt die Bevölkerung in Deutschland ab und ist bis Ende März 2011 auf 81,7 Millionen Einwohner gesunken. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen und nach Modellberechnungen des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerung bis 2060 auf 65 bis 70 Millionen Menschen zurückgehen (Demografiebericht der Bundesregierung, Okt. 2011).

Statistikgläubigkeit in absoluter Form ist jedoch nicht angesagt. Die aktuelle weltpolitische Lage mit einer nie dagewesenen Flüchtlingsbewegung verändert langfristige Prognosen der Bevölkerungsentwicklung grundlegend und stellt unsere Gesellschaft vor ganz andere Herausforderungen bezogen auf die Integration der Migranten und Migrantinnen in alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft. Dennoch werden Demografie bedingte Entwicklungen auch in Dortmund eintreten, obwohl aktuell ein Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen ist. Zum 31.12.2013 zählte das Melderegister 583.658 Einwohnerinnen und Einwohner - das sind 4.646 mehr als ein Jahr zuvor (Statistik Dortmund).

Der neu gewählte Seniorenbeirat der Stadt Dortmund stellt sich diesem Thema. Er hat den Arbeitskreis „Demografischer Wandel“ eingerichtet und die Mitglieder beauftragt, die Auswirkungen des demografischen Wandels in Dortmund zu analysieren, zentrale Fragestellungen wie zum Beispiel: Beschaffenheit des Wohnungsmarktes in den Wohnquartieren, der Nahversorgung, Gesundheitsversorgung, soziale und kulturelle Teilhabe älterer Menschen herauszuarbeiten und diese mit seinen Möglichkeiten in die Gremien und Verwaltung der Stadt einzubringen. Ziel für Dortmund muss sein, den demografischen Wandel als ressortübergreifen den Gestaltungsauftrag anzunehmen und gemeinsam zu gestalten. Nur so kann nach Auffassung des Seniorenbeirates die Zukunft der Stadt gestaltet werden.

Der demografische Wandel wird meist mit negativen Attributen gekennzeichnet. Er birgt aber nie gekannte Chancen. Alleine die Tatsache, dass die Menschen älter werden, verbunden mit guter Gesundheit und hoher Kompetenz aus einem langen Berufsleben und dem Wunsch, die Gesellschaft im Ruhestand mit zu gestalten, hat das bürgerschaftliche Engagement befördert. Ältere Menschen bringen sich vielfältig in gesellschaftliche Bereiche ein, die „der Staat“ so nicht leisten könnte aber auch nicht muss.

Es gibt heute kein soziales Arbeitsfeld, in dem keine ehrenamtliche Arbeit geleistet wird. Ehrenamtlichkeit begleitet uns heute vom Kindesalter bis zum Tod. Neben den traditionellen Ehrenamtsfeldern in Vereinen, Krankenhäusern, Hospizen und der Altenhilfe haben sich infolge des eintretenden demografischen Wandels neue etabliert.

Zahllose Initiativen wurden und werden weiterhin gegründet, die darauf abzielen, die Generationen über oft phantasievolle Projekte in Kontakt und Austausch zu bringen. Großelterndienste, Patenschaften zur Stärkung des Übergangs von der Schule in den Beruf, Lesepatenschaften, Zeitzeugenprojekte oder Projekte im Bereich der Kunst und Kultur seien hier nur beispielhaft genannt. Sie alle stehen für die Stärkung der intergenerationellen Solidarität oder für eine Verbesserung des Erfahrungs- und Wissenstransfers zwischen den Generationen. Diese Initiativen und Projekte sind aber keine Selbstläufer. Sie brauchen “Gelingensbedingungen“. Kommunen sind daher gut beraten, wenn sie Anlaufstellen schaffen, die beratend tätig werden oder Organisationshilfe leisten, indem sie helfen, spezielle, altersorientierte Begegnungsräume für generationsübergreifende Projekte zu öffnen. In Dortmund gibt es die Freiwilligenagentur. Auch hier ist zu prüfen, ob unterstützende Kompetenzen den bisherigen Auftrag ergänzen müssen. Unterstützung von Initiativen könnte sich beziehen z. B. auf die Beseitigung von institutionellen Widerständen. Hier können Sachgründe (Zweckbindung einer Einrichtung) vorgeschoben werden oder Widerstände der hauptamtlich Beschäftigten oder die der bisherigen Besuchergruppen zu überwinden sein. Zur Gestaltung eines gelingenden demografischen Wandels zählt nach einhelliger Auffassung des Seniorenbeirates, die Verwaltung der Stadt Dortmund auch auf diese Schätze aufmerksam zu machen und nötige Unterstützung zu gewährleisten.

Quelle 
Senioren Heute 4/2015. Die Zeitschrift des Seniorenbeirates der Stadt Dortmund